Limburg-Weilburg. Annähernd jeder Zehnte in Deutschland ist ver- beziehungsweise überschuldet, so die Statistiker. Man erwartet, dass sich diese Anzahl durch die Covid19-Pandemie noch steigern wird. Doch was tun? Wer hört einem zu und hilft mit Rat und Tat, wenn es finanziell vorn und hinten nicht mehr klappt?
21 Jahre besteht die Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der GAB Limburg-Weilburg inzwischen schon. Während dieser Zeit haben auch die Gesetze zu Schuldnerschutz und Schuldenregulierung mehrere zum Teil gravierende Reformen durchlaufen. Diese Vorgaben helfen, die Existenz eines jeden zu sichern, Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Abzocke von Inkassounternehmen zu schützen und geben Hilfsmittel an die Hand, sich selbst zur Wehr zu setzen. Außerdem bestehen gesetzlich normierte Optionen, wie Schulden selbst dann reguliert werden können, wenn kein Geld da ist, um diese zu bezahlen. Mittlerweile weiß man, dass finanzielle Not auch psychischen Druck ausüben und Menschen krankmachen kann – sozusagen krank durch Schulden. Wer seine Schulden lösen kann – und das auch noch aus eigener Kraft – gewinnt eher wieder eine Perspektive für sich und sein weiteres Leben.
Es trifft selten zu, dass die Menschen selbst für ihre Schulden verantwortlich sind. Trennungen, Arbeitsplatzverlust, langfristiges Niedrigeinkommen und Erkrankung sind die häufigsten Gründe dafür, dass das finanzielle Kartenhaus zusammenbricht. Und einmal kaputt, lässt sich dies ohne professionelle Unterstützung kaum wieder in die Reihe bringen.
Im Verlauf einer Schuldnerberatung werden zunächst die drängendsten Fragen geklärt, Prioritäten mit dem Ratsuchenden erarbeitet und auch Ideen für die Regulierung der Schulden diskutiert. Danach kommt es entweder zu Vergleichsverhandlungen oder einer Beantragung der (Verbraucher-)Insolvenz. Vergleichsverhandlungen im außergerichtlichen Bereich haben in den letzten Jahren zugenommen und gehen immer häufiger erfolgreich aus, wenn adäquate Geldmittel zur Verfügung stehen. Für viele, die – aus welchen Gründen auch immer – keine Geldmittel für einen Vergleich aufbringen können, ist die Verbraucherinsolvenz ein wichtiges Mittel, um in einer überschaubaren Zeit Verbindlichkeiten zu lösen und sorgenfreier in die Zukunft zu schauen.
Das Team der Beratungsstelle ist Anlaufpunkt für alle im Landkreis Limburg-Weilburg ansässigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die in finanzieller Not sind und Schulden regulieren wollen – manchmal auch erst nach langen Jahren. Das Team mit vier Schuldnerberaterinnen und Schuldnerberatern sowie einer Verwaltungskraft besteht in dieser Form bereits seit 2009. Alle bringen langjährige Erfahrungen in ihre Arbeit ein und hatten mitunter schon sehr ausgefallene Sachverhalte vorliegen, für die gemeinsam mit dem Ratsuchenden eine Lösung gesucht wurde.
Seit 2006 wird das Team ehrenamtlich unterstützt – anfangs durch einen, inzwischen aber durch neun ehrenamtliche Helfer. Diese sind in der Erstberatung tätig und allererste Anlaufstelle für die oft verzweifelten und ratlosen Menschen. Die Ehrenamtlichen waren in der Regel bei Banken oder anderweitig im Finanzsektor tätig und bringen ihre Fachkenntnisse und Netzwerke hier weiterhin ein. Eine offene Sprechstunde eröffnet schon seit 2010 einmal wöchentlich kurzfristig die Möglichkeit, drängende Fragestellungen zu klären und auch sogenannte P-Konto-Bescheinigungen zu erhalten. Durch Corona ist dies zurzeit nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Dennoch: Das Team hat auch während der gesamten Zeit seit Ausbruch der Pandemie versucht, mögliche Informationswege und Kontaktkanäle offen zu halten. „Dies hat sich als sehr wichtig herausgestellt. Menschen waren extrem verzweifelt und fühlten sich alleingelassen, wenn sie plötzlich nicht mehr an ihr Geld konnten, sie nicht verstanden, weshalb das geschah und wegen Corona und Homeoffice in Behörden und Institutionen auch niemand für die Betroffenen erreichbar war. Hier haben wir oft allein schon durch Zuhören und Erklären Druck abbauen können und Hilfestellung gegeben, was als nächstes zu tun ist“, so Matthias Meffert, der Leiter der Beratungsstelle. Aktuell wurde nach der Einführung des Pfändungsschutzkontos in der Gesetzgebung die vielleicht größte Veränderung im Verbraucherschuldrecht verabschiedet: Die Dauer des Insolvenzverfahrens wurde auf drei Jahre verkürzt. So erhalten Schuldnerinnen und Schuldner die sogenannte „Restschuldbefreiung“ für ihre Verbindlichkeiten nach Ablauf einer Zeitspanne von 36 Monaten, wenn sie einen Antrag auf Eröffnung der Insolvenz seit Oktober 2020 gestellt haben oder noch stellen werden. Hintergrund der Veränderungen sind einerseits die Vorgaben der EU, andererseits wurde mit der raschen Gesetzverabschiedung auch den Erfordernissen Rechnung getragen, die durch Covid19 auf Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Gewerbetreibende zukommen dürften. Weitere Gesetzesnovellierungen betreffend Inkasso (Forderungsbeitreibung) und auch im Rahmen des Pfändungsschutzkontos stehen an.
Wie wichtig die Arbeit der Beratungsstelle für die Betroffenen ist, zeigt sich oftmals am Ende der Beratung – viele Ratsuchende haben wieder eine Perspektive entwickelt. Sie haben Gegebenheiten erkannt, die ihnen unnötig das Leben erschwert haben, und diese verändert. Oder sie haben gelernt, sich mit den Widrigkeiten zu arrangieren. Wenn dann die Schulden erst einmal weg sind, ist für die allermeisten klar, dass es kein zweites Mal mehr geben soll.